Haushaltsrede 2023

Anmerkungen der FREIEN WÄHLER ELZACH zum Haushaltsplan 2023

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Tibi,

sehr geehrte Damen und Herren,

Schlimmer als die beiden letzten Jahre kann es nicht mehr werden-dachten wir. Doch dann kam

der 24. Februar 2022, der uns alle erneut eines Besseren belehren sollte. Es herrscht Krieg, und

das mitten in Europa-unfassbar. Der schreckliche russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns

aber von einer auf die andere Sekunde gezeigt, wie verwundbar unser so sicher geglaubtes Miteinander in Europa ist. Bilder von zerstörten Häusern, Städten, Bombeneinschlägen oder toten, unschuldigen Zivilisten können wir jeden Tag live sehen-pervers und verängstigend. Doch auch diese Bilder und Nachrichten gehören, so schlimm es ist, wie die, anderer Kriege oder Katastrophen auch, irgendwann zum Alltag und rücken in den Hintergrund. Deshalb ist es mir heute zu Beginn besonders wichtig, ein ganz großes Dankeschön an diejenigen Einrichtungen, Vereine und Privatpersonen zu sagen, die seit Kriegsbeginn bis heute uneigennützig handeln, um die Menschen in der Ukraine zu unterstützen. Gerade auch bei uns in Elzach gibt es viele, die durch Spendenfahrten und Sammlungen den Menschen in den Kriegsgebieten helfen, sowie durch ihre Arbeit, das Ankommen für Geflüchtete bei uns erleichtern. Vielen herzlichen Dank! Doch auch als Kommune werden wir durch diese neuen Krisen immer wieder vor neue Aufgaben gestellt. Unsere Verwaltung hat enorm viel geleistet, um den Anforderungen z.B. nach Unterkünften für Geflüchtete gerecht zu werden. Ebenso war sie in Zeiten der Pandemie und auch schon bei der Flüchtlingskrise 2015 stark gefordert, um all diese unerwarteten, zusätzlichen Aufgaben zu bewältigen. Sie sehen hieran also deutlich, dass wir in den letzten Jahren nicht nur weltpolitisch, sondern auch kommunal direkt von einer Krise zur nächsten gerutscht sind, und wir als Kommune vor immer neue Herausforderungen gestellt werden.

Doch können wir all diese Aufgaben und Anforderungen als Stadt noch leisten? Wer das mit einem überzeugten „Ja“ beantwortet, verschließt die Augen vor der Dimension der aktuellen Krisen.

Unsere Stadt übernimmt als Gesicht unserer demokratischen Strukturen Verantwortung. Bei uns vor Ort werden die aktuellen Herausforderungen konkret: hier wohnen, leben, arbeiten wir und spüren die Konsequenzen direkt. Während die Bundes- und Landespolitik oft als weit entfernt, abstrakt, ja

fremd empfunden wird, wird Politik vor Ort als greifbar und real erlebt. Der Erwartungshorizont,

was wir als Stadt alles zu leisten haben, ist allerdings weit gespannt: das Innenstädtle lebenswert erhalten und gestalten, wenn möglich autofrei - gleichzeitig Parkplätze für Autos und Fahrräder vor jedem Ladengeschäft anbieten, Ganztagskinderbetreuung sowie Kernzeitangebot für Schüler*innen anbieten und vorhalten, Digitalisierung in der Bildung garantieren; die Sicherung der Zukunft von Vereinen, Freie Jugendarbeit, Integration fördern und finanziell absichern, bezahlbaren Wohnraum schaffen, Gewerbeflächen vorhalten, nachhaltige Mobilität fördern, den Weg für Klimaschutz ebnen, kommunale Einnahmen und Investitionen sichern. Dies sind Erwartungen, die die Kommune-ohne darüber Pleite zu gehen, bitte alle erfüllen soll. Aber Kommunalpolitik funktioniert nicht als „Wünsch-dir-was“ für jeden. Die originäre Aufgabe des Staates und der Kommune ist die Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger. Kurz gesagt: Die Dinge, die unser tägliches Leben ermöglichen, müssen für alle verfügbar sein. Diese Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge sind zwischenzeitlich zur Selbstverständlichkeit geworden. Doch viele Bürgerinnen und Bürger vergessen zunehmend, dass die dauerhafte Sicherstellung eines solchen Leistungsportfolios einen großen Teil unserer kommunalen Ressourcen, und zwar sowohl der finanziellen als auch der personellen, bindet. Dies wird dadurch verstärkt, dass die Gesetzgeber auf allen Ebenen, die zu gewährleistenden Standards regelmäßig anheben und nach oben setzen. Neue Rechtsansprüche und gesetzliche Leistungen werden von

oben diktiert, sind aber nicht mehr erfüllbar. Anspruch und Wirklichkeit müssen endlich wieder zusammenfinden. Es muss gelten „Lieber weniger versprechen, dafür aber verlässlich einhalten.

Es geht letztlich um die Frage, ob unsere Gesellschaft und die politisch Verantwortlichen die Bereitschaft zu einer generationengerechten Politik auch dann haben, wenn dies bedeutet,

auf etwas zu verzichten, etwas aufzuschieben oder auch einmal „nein“ zu sagen. Dass wir schon

seit einiger Zeit finanziell und im Hinblick auf unsere Standards und Ansprüche über unseren Verhältnissen leben, und dass die Schere von politischen Vorgaben und realistischer, kommunaler Umsetzung immer weiter auf geht, wurde von vielen erkannt. Daher haben die kommunalen Spitzenverbände des Gemeinde-, Städte-, und des Landkreistags gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden aus ganz BadenWürttemberg kürzlich einen Brandbrief an unseren Ministerpräsidenten geschickt, der genau dieses Thema aufgreift. In diesem Brandbrief wird darauf hingewiesen, dass sich die Kommunen im Dauerkrisenmodus befinden. Zitat: „Ukraine-Krieg,

Inflation, Wirtschaftskrise, Klimawandel – diese multiplen Krisen müssen zeitgleich von den Städten und Gemeinden auf örtlicher Ebene und oftmals vom selben Personal gelöst werden. Zugleich stellen wir jedoch fest, dass über die letzten Jahre und Jahrzehnte von Bundes- und Landespolitik immer neue Leistungen und Rechtsansprüche zugesagt wurden und das Maß an Bürokratie zwischenzeitlich zu einer Komplexität führt, die kaum mehr zu bewältigen ist. Die Grenze der Leistungsfähigkeit ist überschritten.“ Zitatende. Ich kann diese Worte nur fett unterstreichen! Auch wir als Freie Wähler haben solche Themen hier im Rat schon einige Male angesprochen. Beispiele: die Umstellung des Haushalts auf die kommunale Doppik mit all seinen Nachteilen für die finanzielle Situation der Stadt, der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung an Grundschulen, die 4. Reinigungsstufe zur Phosphorentnahme der Kläranlage, der Satzungsirrgarten ausgelöst durch die Gemeindeprüfungsanstalt, Altlastenentsorgungen bis zum Sankt Nimmerleinstag und zu guter Letzt die einst so gut gemeinte Liberalisierung des Strommarktes. Auch bei diesem wurden gesetzliche Anforderungen stetig erhöht, somit letztlich gesetzlich stärker eingeschränkt und reguliert,

so dass wir nach über 100 Jahren gezwungen waren, uns mit der Stadt Elzach aus dem Stromverkauf zurückzuziehen. Die vertraglich festgesetzte Preisbindung bei einem gleichzeitig durch die Energiekrise ausgelösten, stark volatilem Markt mit massiv angestiegenen Preisen, führten zu einem unkalkulierbaren, nicht mehr vertretbaren unternehmerischem Risiko. Es wurde viel darüber gesagt und geschrieben. Fazit: das Ganze ist für Bürger*innen, Verwaltung und Gemeinderat frustrierend und bedauerlich-war letztlich aber der einzig mögliche Weg. All diese genannten Beispiele zeigen einmal mehr, dass Europa-, Bundes- und Landespolitik ganz weit weg ist von der kommunalen Realität. Hoffen wir also, dass der zitierte Brandbrief ein Anstoß ist, um in nächster Zeit einige Dinge aufzuarbeiten. Und hoffen wir, dass dieser Brief nicht so ungenügend und dilettantisch bearbeitet und beantwortet wird, wie die vielen wichtigen Briefe unseres BM zu den Themen Windkraft und Breisgau S-Bahn an diverse übergeordnete Stellen. Sie sehen, ich war schon euphorischer.

Doch trotz all dieser extrem schwierigen Rahmenbedingungen, ist es der Verwaltung gelungen, für das Jahr 2023 einen ausgewogenen Haushalt zu erstellen. Bewusst haben wir von den Freien Wählern daher auf Fraktionsanträge verzichtet. Bereits im vergangenen Jahr haben wir einige wichtig Projekte auf den Weg gebracht, für anstehende größere Investitionen sind Planungskosten im Haushalt eingestellt. Somit sind die Rahmenbedingungen für dieses Jahr größtenteils abgesteckt.

Der vorgelegte Haushaltsplan erscheint uns stimmig und realistisch. Daher werden wir diesem,

sowie den Wirtschaftsplänen der Eigenbetriebe (SWE & SEE) zustimmen. Für die Erstellung der Haushaltspläne, sowie für die geleistete Arbeit, darf ich mich im Namen der Freien Wähler recht herzlich bedanken. Der Dank geht hier speziell an unseren neuen Rechnungsamtsleiter Herrn Bührer und an die ausgeschiedene Lioba Winterhalter. Ein großer Dank aber an alle, die im Dienst der Stadt tätig sind: Mitarbeiter*ìnnen bei Stadtwerken, Stadtentwässerung, Haupt-, oder Rechnungsamt, Verbandsbüro oder Technischem Dienst - Danke an jede und jeden Einzelnen von euch. Alle leisten ihren wichtigen Beitrag für unsere Gemeinde. Wie in der Vorbemerkung des Haushaltsplanes bereits beschrieben, wird das Jahr 2023 ein „Schabbat-Jahr“ was Millionen-Invest`s angeht. Nach der Fertigstellung von Ladhof und Feuerwehrgerätehaus im letzten Jahr, werden dafür dieses Jahr

aber noch hohe Restzahlungen fällig. Neue Bauvorhaben im Millionenbereich werden wir daher

erst wieder 2024 angehen können: der Umbau des Bahnhofs in Elzach zum Multimodalen Knotenpunkt, sowie die Sanierung der Grundschule in Prechtal zum neuen zentralen Grundschulstandort unserer Stadt werden dabei im Fokus stehen. Weitere Großinvestitionen

werden dann in den Folgejahren unseren Haushalt weiter belasten: der Neubau des Bauhofs, der große Umbau des Schulzentrums Oberes Elztal sowie der Umbau von Schule/Halle Oberprechtal

sind beispielhaft Projekte, die im mittelfristigen Finanzplan fest verankert sind. Somit sind wir froh,

für 2023 einen Haushalt ohne Neuverschuldung (zumindest im Kernhaushalt) verabschieden zu können. Sorgen, die finanzielle kommunale Zukunft betreffend, bereiten uns speziell zwei Themen:

 

1. die steigende Zinsentwicklung: Sie könnte künftig ein Problem für Investitionen darstellen, sollte der extreme Aufwärtstrend anhalten

2. die extreme Defiziterhöhung bei den Kindergärten: Die Betriebskostenzuschüsse gehen durch die Decke und wir haben im Jahr 2023 Mehrkosten von ca. 640.000 € gegenüber 2022 - was ein Gesamt-Defizit in diesem Bereich von 2,19 Mio € bedeutet.

Wie können wir solche Kostensteigerungen künftig noch finanzieren? Wir werden also auch in diesem, wie in den Folgejahren im wahrsten Sinn des Wortes „haushalten“ müssen, um den Spagat zwischen Erfüllung von Pflichtaufgaben und Genehmigungsfähigkeit des Haushalts hinzubekommen.

Trotz allem werden wir auch in diesem Jahr viel für unsere Stadt bewegen- also lassen sie uns mit einem Lächeln mutig ins neue Jahr starten. Dafür wünsche ich uns allen vor allem Gesundheit, gegenseitiges Vertrauen, eine glückliche Hand – vor allem aber eine friedlichere Zeit.

 

Vielen Dank Marc Schwendemann